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Mina, rette die schweizer Demokratie!

von Mario Wimmer

– oder Gedanken zur direkten Demokratie

Mit schöner Regelmässigkeit wird auch in Deutschland die Forderung nach “mehr Demokratie” laut. Mit “mehr Demokratie” ist vor Allem mehr direkte Demokratie in Form von Volksbegehren und -entscheiden gemeint. Die implizite Kritik die diesen Forderungen zu Grunde liegt ist die einer mangelnden Legitimität einer bloß repräsentativen Entscheidungsfindung. Eine Kritik die sich traurigerweise auch explizit an vielen Beispielen festmachen lässt, vergeht doch kein Tag an dem die Zeitungen nicht über Spendenaffären, Postengemauschel und Lobbyistengesetze berichten. Dass man auf Grund möglicher Defizite einer repräsentativen Form der Entscheidungsfindung deren direkte Formen nicht idealisieren sollte zeigt aktuell das Beispiel der Schweiz.

Anders als in Deutschland gibt es in der Schweiz die Möglichkeit von Plebesziten auf der Bundesebene und am Sonntag haben die Schweizer mit 57 Prozent aller abgegebenen Stimmen beschlossen den Bau von Minaretten an Moscheen künftig zu untersagen. Man möchte meinen die Schweizer mit ihrer Geschichte als freiwilliger Kantonsverbund, ihrer kulturellen wie sprachlichen Vielfalt, ihrer langen Geschichte der äußeren Neutralität und innerer Kollegialität sowie nicht zuletzt ihre Erfahrungen als Weltbanker und Tourismusland wüssten es besser. Wüssten, dass ihre Furcht vor einer “Islamisierung” der Schweiz angesichts eines Anteils der muslimisch gläubigen Bürger an der Gesamtbevölkerung der Schweiz von 0,5%, vollkommen unbegründet ist. Und wüssten vor Allem wie wichtig gerade in einer von Minderheiten und Pluralitäten geprägten Gesellschaften die integrierende Kraft des Konsensprinzipes ist. Trotzdem hat die mehrheit der Schweizer am Sonntag beschlossen, dass zu untersagen, dass Muslime ihre Religion, in einer von ihnen gewählten Form, die nicht gegen die schweizer Verfassung verstößt, auszuüben.

Nun ist die Schweiz glücklicherweise Demokratie nicht nur im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauches, in welchem Demokratie vor auf den prozessualen Aspekt der Abstimmung oder Wahl abzielt, sondern ein moderner, demokratischer Rechtsstaat. Und in einem solchen modernen, materiellen Rechtsstaat bedeutet Demokratie eben nicht nur eine Prozedur gemeinschaftlicher Entscheidungsfindung durch das Volk, klassisch realisiert im Mehrheitsentscheid. Sondern bedeutet vielmehr, anzuerkennen, dass in eben dieser Herrschaft der Mehrheit die Gefahr eines Totalitarismus, einer Diktatur der Mehrheit gegenüber Minderheiten und Individuen steckt. Deshalb wird diese Entscheidungsgewalt der Mehrheit, beziehungsweise ihrer repräsentativen Vertreter, im materiellen Rechtsstaat eingehegt werden durch das Prinzip der Gewaltenteilung und rückgebunden an unveräußerlicher Grundrechte. Grundrechte die das Individum wie auch Gruppen für willkürlichen Eingriffen in seine freie Entfaltung schützen. Mehr Demokratie heißt in diesem Fall weniger Demokratie, ein Paradox das gerade von den Vertretern direkter Demokratie nicht nur gerne übersehen sondern übergangen wird.

Die Souveränität der repräsentativen Demokratie ist nur eine mittelbare, mittelbar auf Grund der Prinzipien der Repräsentation, der Gewaltenteilung und der Bindung an Grundrechte. Direkte Demokratie als direkte Souveränität beansprucht schnell auch einzige Souveränität zu sein, monistische Souveränität zu sein, totale Souveränität zu sein. Als direkte Willensäußerung “des Volkes”, es ist ja eigentlich nur die Mehrheit die sich äußert, ist sie ungleich schwieriger legitim an andere demokratische Prinzipien rückzubinden als die per se gebrochene, mittelbare Form der Willensäußerung über Repräsentanten.

Mehr zum Thema von Markus Otti auf farblos: Angst essen Abendland auf und Christoph Schwennicke auf SpOn: Wo es brodelt.

Bild (cc) MaximeF

Ein Kommentar.

  1. sjaelv Am 27. December 2009 um 21:32 Uhr.

    Und dazu zum “Spass” ein Artikel der Piusbruderschaft zum selben Thema, enjoy 😉
    http://www.piusbruderschaft.de/multimedia/bilder/3-ticker/3696-die-verbotene-demokratie