fallen/legen blog

Dienstagsfilm – Nord

von Mario Wimmer

Dienstagsfilm – Wir stellen euch an dieser Stelle jeden Dienstag einen besonderen Film vor. Einen Film von dem wir denken, dass er euch während eines gemütlichen DVD-Abends begeistern könnte.

Jomar träumt nicht, er säuft. Säuft und schluckt Tabletten, damit er nicht mehr träumen muss, damit er sich nicht mehr erinnern muss. An die Zeit als er noch Träume hatte, Träume von Abenteuer und Liebe, Träume die zerplatzt sind, als ihn irgendwann das Gewicht der Welt fast zerdrückt hat. Ein Gewicht das gerade in der skandinavischen Einsamkeit so unheimlich schön und unerträglich drückend erfahrbar wird.

Jomar ist Liftwart irgendwo im nordnorwegischen Nichts und verbringt seine Tage damit lethargisch aus dem Fenster zu starren. Was auf der Piste oder am Lift passiert interessiert ihn nicht wirklich, es dringt nur gedämpft zu ihm durch. Gedämpft durch den Alkohol aus einem Kanister mit dem er regelmäßig seinen Becher füllt. Gedämpft durch die Tabletten die er damit hinunterspült. Jomar will nichts mehr von der Welt wissen in der er einst ein berühmter Skifahrer war, am liebsten würde er sich wieder in die Psychatrie einweisen lassen in der er regelmäßig Therapiegespräche hat. Aber die Welt lässt ihn nicht. Sein bester Freund, mit dem ihn seine Frau verlassen hat als sie seine Depression nicht mehr ausgehalten hat, taucht unvermittelt auf. Erzählt, dass er nach Süden geht und dass Linnea wieder allein ist, irgendwo noch weiter nördlich, allein mit einem Kind – Jomars Kind.

Jomar verharrt in Lethargie, versucht die Welt mit Alkohol und Tabletten und Discovery Channel zu verdrängen. Er schafft es nicht sich aus eigener Kraft zu befreien, bis er seinen Gaskocher umstößt, der Teppich Feuer fängt und er nichts tut. Seine Lethargie so weit steigert, dass die Ergebnisse seiner Passivität ihn schließlich zur Aktivität zwingen. Nichts tut bis ihn das brennende Haus, Symbol der Kräfte die ihn gerade noch am Boden gehalten haben, hinauszwingt in Welt. Ihn hinauszwingt und und ihm den Anstoss gibt den er für seine Reise nach Norden braucht. Auf seinem Weg wird Jomar andere Menschen treffen, jeder für sich mit seinem kleinen oder großen Problem. Ein Stück weit erlebt er ihre Geschichten mit und ein Stück weit erleben sie seine Geschichte mit. Beide Seiten geben und nehmen, ein bisschen Orientierung in einer Welt deren Komplexität auch vor der Einsamkeit nicht halt macht. Und so gelingt es Rune Denstad Langlo mit Nord auf wunderbar zurückhaltende Weise eine großartige Parabel auf das Leben zu erzählen.

[youtube width=”500″ height=”282″]http://www.youtube.com/watch?v=0XFHx9m3v7k[/youtube]
Deutscher Trailer

Das schönste Zitat zu diesem ewigen auf und ab stammt aus einem Dialog mit einem alten Samen den Jomar am Ende seiner Reise trifft und der das Leben und diese Parabel damit sehr schön auf den Punkt bringt:

“Wie alt bist du Jomar? – 30. – Dann liegen über 60 Jahre zwischen uns. In 60 Jahren kann man viele Fehler wieder gut machen. – Man kann auch viele neue machen. – Die kann man ebenfalls wieder gut machen.”

Es ist Frühjahr, die Tage werden länger, mach’s gut.

Nord | Rune Denstad Langlo | Anders Baasmo Christiansen, Kyrre Hellum, Marte Aunemo, Lotte, Mads Sjøgård Pettersen | 2009 | XXX | imdb, Wikipedia | Bilder © Alamonde Films

Kommentarfunktion ist deaktiviert.