fallen/legen blog

Wortraum München – Texttape München.

von Florian Naumann

Städte klingen. Aber worten Städte auch?

Wahrscheinlich. In München sind die Worte in der Stadtatmosphäre nur dünne Fäden, aber: Wir haben ein paar gefangen, von dort, wo die ICEs ins große Land enden, und die Gleise langsam nach Mühldorf, Kochel, Innsbruck und Immenstadt führen, Äcker, Weiden, und davor der Pomp. 36 Gleise am Hauptbahnhof und hier so viele wie Tracks auf dem Mixtape.

01 Atemsehen
wir könnten stundenlang suchen, auf den plätzen dieser stadt. in den straßen mit den spiegeln, unter den leuchtreklamen, bis uns der atem in den haaren hängt, und die lichter teuer in den lungen. bis wir ein wort finden, an einer wand, oder an einem spalt auf dem asphalt: “das hier haben sie übersehen!”. ich nicke.

02 Max vor Stadt
Quer durch München läuft die Maximilians-, längs erst die Ludwigs- und später die Leopoldstrasse. Morgens wärmen sich an der Münchner Freiheit die ersten wilden Kerle an Zigaretten, Bier und Gemeinschaft. Mittags wühlen sich die einheimischen Zuagroasten durch ihre in den Marienplatz gestopften Gäste. Abends trinken unterbezahlte Elitedozenten und überbezahlende Elitestudenten am chinesischen Turm Apfelschorle. Nachts fliegt kurz hinter dem Siegestor Formation um Formation cremefarben brummender Taxigeschwader vorbei.

03 Von außen
Von außen, wenn du versuchst, dich zu unterscheiden, von dem was dich umgibt, wenn du dich bemerkbar machst, glänzt du, kalt.
Sie lachen, sie säuseln und sagen, du seist warm – selbst wenn du es wärst, du bist es nicht.
Selten lässt du sie leuchten, meist nur für dich, deine Schönheit, entseelt.
Du bist etwas, mehr wirst du nie sein.

04 Treibholz
“…das wasser rauscht dort beständig, und der kies unter den nackten fußsohlen… hohe bäume, lagerfeuer das ganze ufer hinab [einen schluck trinken]. dann die füße in den gebirgskalten fluss. das ist das wunderbarste an der isar: wenn man die stadt nicht mehr sieht, und alles was von ihren toten straßen bleibt, ist das kalte bier.”

05 Tourisme
Weißbier, Stachus, Touristenkameras – Glockenspiel. München in zwei Tagen. Arena, Hofbräuhaus, Pinakothek. Weiterfahrt. Wie gut, dass man als Münchner Zeit hat.

06 Mangelwirtschaftglockenbach
ich saß, der ewige strom der käufer noch nicht abgeebbt, in einem café in der nähe eines platzes, eine wasserfest eingeschweißte getränkekarte in der rechten hand. ich überlegte was mir jetzt noch fehlte – auf der longdrinkseite stand es nicht – zählte meine scheine und rief dem gläsermann, so zur sicherheit: was wohl… eine kleine handvoll ehrlichen drecks kosten würde, zwei gedanken zum mitnehmen noch dazu. dies sei leider aus, bedauerte er, und zog die schultern. (kaffee gab es aber noch genug.)

07 Der Löwen-GAU
im westen der öde pöbel
im süden der prüde schnösel
im osten der giesinger löwen GAU
im norden der arroganz arena bau

08 AAcht
eng liegt das regenwasser auf der blau/schwarzen, abend/nacht autobahnlandschaft. weiß, frontscheinwerfer, rot, rücklichter spiegelmalen in langen schlieren drauf. manchmal auch blaue riesentafeln: salzburg [8], (A), (I). mit 150 wegschwimmen aus der stadt, in der der schwarz/blaue himmel über mich weint.

09 Gestern
Sie sehen nicht, wie sie es tun, und merken nicht, was sie jetzt werden, längst nicht, was sie schon geworden sind.
Deine eigene Empfindung wird ein Spiegel ihrer selbst.
Gestern wolltest du sie ihnen zeigen und heute nehmen sie sie, ohne dich zu fragen.
Meine letzte Hoffnung ist mein Denken, doch sie zerschellen sie nun an deinem Puls, sind längst verloren, dort in deinem Herzen.

10 Maximiliansplatz
brunnenrauschen, lichterglänzen, porschefahren, arbeitschwänzen. blauerhimmel, perlenketten, bier im garten – diearmenselberretten.  bmw und statushalten, teurer jubel klingt verhalten. csu, kreisverkehr, – hier geht auch wirklich gar nichts mehr.

11 Kettcarfahrer

Muenchen ist ein Sommerregen, Eisbachschwimmen, Brueckenspringen, Bier aufmachen, Welt nachsinnen.
Muenchen ist die träge Schwuele, Feierabendbierschaumkuehle, Leberkas und Tränengas.

12 Vielleicht ein wenig teuer
in dieser stadt gäbe es alles, rief er aus.
ich sagte, ich wünschte mir einen altbau, “mit tapeten und ‘nem treppenhaus!”. doch selbst das sei kein problem im münchnerland:
man könne schließlich einen bauen, dort wo mal der kiosk stand:
der wäre dann auch noch schön und neuer –
wenn auch (mit blick auf meine schuhe) vielleicht ein wenig teuer.

13 Luft blasen
querüberdieleopoldzumkleinenfotografen
mitdergusseisernentürhallodenfilmwolltich
abgebenwarwasgscheidsdabeiservus
klingelnzurücküberdieleopoldmünchnerfreiheit
lerstehenmitbieramschachbrettlinksdermonaco
franzeunterführungsonneübermfuchsbaumuss
nochwasserholenheimunddanndurchnenglischen
gartenansinstitutgut?

14 Blaues Haus

Versöhnung in den Bäumen, wo die letzten alten Häuser stehen. Blauer Himmel, kalte Luft um den Zustand zu bewegen: Wenn nichts sich rührt, nichts passiert, heißt das manchmal: Alles Gut, nichts passiert mir. An einem Herbsttag im Mai.

Ein von miae designtes Poster zum Texttape haben wir hier zum Download. Schmückt jede 60er Jahre-frisch renovierte-Studentenküche oder -toilette zwischen Laim und Neuperlach, Fürstenried und Freimann. Garantiert.

Texte von: Florian Naumann, Mario Wimmer, Tobias Stoltmann, Christoph Ellßel, Stefan Lülf

2 Kommentare!

  1. Klangraum Vol. 2: München-fallen/legen Am 23. October 2009 um 01:09 Uhr.

    […] Mehr Worte gibt’s auch direkt: Wortraum München -> Texttape München. […]

  2. Stefan Am 8. November 2009 um 23:23 Uhr.

    sehr schön… als münchner fühlt man sich doch gleich heimisch 🙂