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Windhunde – Teil Eins

von Mario Wimmer

Das Fett macht seine dunklen Haare leicht struppig. Lässt sie in festen Büscheln von seinem kantigen Kopf abstehen der sich dunkelbraun von der nachtblauen Landschaft abhebt. Ruhig liegt er da, den Kopf auf den Vorderläufen, die Ohren leicht schlaff. Langsam schnauft Strauß durch seine nassschwarze Schnauze. Seine Hütte liegt vor einem typisch bayrischen Hof – Haupthaus, Austragshaus, zwei Scheunen und ein Silo, ein paar Obstbäume und ein Garten, ein Misthaufen und die Güllegrube, ein kurzer Weg führt runter zur Bundesstraße. Schwarz und leer liegt die da inmitten grauer Wiesen, weiße Pfähle links und rechts, an der Linkskurve hinter den Hügel ein Marterl. Kein Licht weit und breit, Nachtfahrverbot, nur aus dem dritten Fenster links leuchtet es noch gelb, die Vroni wartet auf ihren Ältesten. Fünfe ist’s schon wieder, der Karlo wollt eigentlich nicht so lang bleiben, muss ja morgen auch in die Arbeit der Bua.

Wie Windhunde jagen der Golf und der Audi durch die niederbayrische Steppe. Kraftvoll drücken vier Zylinder und etliche hundert Kubik Hubraum ihre flachen Silouetten durch die Dämmerung. Bis zu den Dörfern die grau und fern im sanften auf und ab der Donauebene liegen dringt nur ein dumpfes Brummen, auf der breiten Bundesstraße hingegen entlädt sich ein infernalisches Blechbläserorchester. Dicke chromblitzende Endrohre, zwei und vier Stück durch die sich wummernd die vergewaltigte Luft drückt. Fauchend zerreißen ihre weißblauen Scheinwerfer die Stille der Bundesstraße, hetzen die leere Gerade entlang und wirbeln die staubtrockene Erde auf bis vier brüllend rote Rücklichter hinter dem nächsten Hügel verschwinden. Dicht an dicht haben sie die paar Kilometer von der Kuchl runter verbracht, die grimmigen Schlitze vom Karlo seinem Audi nur knapp vor den vier glühenden Kreisen vom Tarek seinem Golf. Zwei schwarze Schatten die durch die morgengraue Landschaft jagen, auf schwarzen Straßen durch graubraune Äcker und graugrüne Wiesen, durch hellgraue Dörfer vor dunkelgrauem Horizont. Die Zwiebelkirchen an ihrem Weg schlagen grad fünf.

Ruckartig schnellen aus der massigen Silouette des Hundekopfes zwei scharfe, schwarze Dreiecke nach oben, zwei spitze Ohren, die aufmerksam lauschen. In der Ferne klingt ein Brummen oder eher eine Ahnung von einem Brummen. Langsam hebt Strauß den Kopf, den Oberkörper und lauscht, der ganze Hund ein scharfes Dreieck. Die Ahnung wird zum Brummen, das Brummen zum Grummeln – Karlo! das Dreieck wird zum Viereck, Strauß steht und lauscht, das Grummeln wird zum fernen Donner – Karlo! Strauß macht einige Schritte über den Hof, ein unsicheres Bellen, der ferne Donner wird zum nahen Röhren, zum krachenden Inferno – Karlo! wild bellend stürzt Strauß vom Hof zur Bundesstrasse runter. Dort tauchen gerade der Golf und der Audi auf, Karlo, Karlo, Karlo, bellen, donnern, bellen, donnern, wie toll springt Strauß an der Straße auf und ab, die Autos rasen auf ihn zu, das bellende Inferno steigert sich zum Crescendo. Fauchend und brüllend jagen sie an ihm vorbei, kraftvoll bellend sprintet Strauß für einige Meter an ihrer Seite bis ihre roten Rücklichter in seinen Augen brennen, ein triumphierendes Heulen und ein dunkles Abschiedsgebell. Und ein kläffendes Echo, kläffendes Echo? Ruckartig wendet Strauß den Kopf und auf der anderen Strassenseite steht Brandt.

Der Karlo schaut die Marie an. Ihre schön zerzausten Haare, am Ansatz wächst die blonde Färbung schon raus. Ihre klarblauen Augen, das Weiß um ihre Pupillen ein bisserl rot, sie hat wegen irgendwas geweint vor zwei, drei Stunden. Ihre tiefschwarzen Wimpern, ein bisschen verklebt von zuviel Tusche, an einer hängt ein richtiger kleiner Klumpen. Etwas besonderes, irgendwie. Draußen zerfetzen knappe 150 die Bäume und Büsche in grünbraungraues Chaos, grad sind sie zwischen den zwei Hügeln vom Gschwendtner und seinem Hof durch, also was heißt sein Hof, der von seine Eltern, was heißt von seinen Eltern, der von seiner Mutter halt. Die ist sicher noch auf und wart, als ob er 16 wär und man sich bei ihm noch um irgendwas Sorgen machen müsste. Er hat schon alles im Griff, zack kuppeln, zack fünfter Gang und zack die Kupplung rauf und das Gas runter, röhrend zieht er dem Tarek um ein paar Meter davon. Der bremst einfach immer zu früh, naja, vielleicht wäre das Rennen fairer wenn sie am Freitag bei beiden Autos die Bremsscheiben gewechselt hätten, so verliert er halt jede Kurve ein paar Meter. Andererseits hat er auch ein paar PS mehr in seinem scheiß A3, es gleicht sich alles aus.

Brandt. Den bulligen Schädel leicht gesenkt glotzt er über die Strasse, Saupreiß, Hundling der. Grimmig fletscht Strauß die Zähne, weiß schimmert das Gebiss unter seinen Lefzen, auch der dunkle Brandt zeigt Zähne. Dumpf und voll bellt Strauß, einmal, ein einziges Mal, Brandt versteift sich und das Brummen verstummt gerade am Horizont als er zu knurren beginnt. Drohend grummelt auch Strauß, zwei dunkle massige Körper mit weiß funklenden Augen und Zähnen vor grauem Hintergrund, sechs Meter schwarzer Teer und ein weißer Strich trennen die beiden. Knurren, brummen, grummeln, kläffen, bellend stürzen die beiden aufeinander los, treffen sich grad auf dem Strich, schnappend, geifernd, beißend wirbeln die zwei im Kreis. Zähne die Haarbüschel reißen, Läufe die gegen Brüste hämmern, auf den Hinterläufen tanzen die zwei. Mäuler die aneinander vorbei schnappen, bellend, kläffend, geifernd. Brandt lößt sich, entfernt sich zwei Sprünge, der Preußenköter der, wütend setzt Strauß nach. Hechelnd hetzen die beiden über die Wiese, den Hügel zum G’schwendtner Hof rauf, Kopf an Kopf, Flanke an Flanke, erstickt bellend, schnappend, reißend, ein Kampf mit unbestimmtem Ziel.

Was das vorher wieder war in der Kuchl, wegen nix, wegen nix so ein Theater, als ob er was dafür könnt, dass die Moni sich ihm um den Hals schmeißt. Weiber, bloss weil er der Mal sein Janker geliehen hat, fast eine ganze Goaßnmaß hat ihr der Xaver aus Versehen beim Stadlfest über das knappe Top gekippt. Und jetzt hat sie sich halt gefreut, dass sie ihn mal wieder getroffen hat, sie haben sich ja eh länger nicht mehr gesehen. Kommt irgendwann der Tommi rüber, grad, grad hat er noch zwei Bier bestellt gehabt, kommt der Tommi rüber und meint die Lou hätt mit ihm reden wollen. Lasst er sein Bier stehen, geht rüber zu ihr, zu ihr und dem ganzen Haufen blöder Weiber, fangt sie an zu lamentieren, ob er sich nicht schämt, ob ihm denn die Marie gar nix bedeutet. Redet sicher fünf Minuten wenn nicht länger, der Schaum von seinem Bier ist schon zusammengefallen, die Moni hat auch schon halb ausgetrunken, fünf Minuten oder länger, bis er sie fragen kann ob sie eigentlich einen totalen Vogel hat, dass es sie einen Scheißdreck angeht mit wem er ratscht und ob sie nicht mit dem Alex und dem Michi genug beschäftigt wäre. Sagt sie nur drauf, dass er ein Arschloch ist und die Marie draußen heult. Und haut ab, haut einfach ab mit ihre Tratschkattln. Das Bier von der Moni ist mittlerweile leer und seins schaut auch schon verdammt lack rüber. Na sauber, denkt der Karlo sich.

Teil Zwei gibt es nächsten Freitag.

3 Kommentare!

  1. Jörn Am 21. December 2009 um 22:37 Uhr.

    Hui, da bin ich aber mal wieder gespannt… und das in der staadn Zeit!

  2. Windhunde – Teil Zwei-fallen/legen Am 30. January 2010 um 01:34 Uhr.

    […] Teil 1 gibt es hier. […]

  3. Windhunde – Teil Drei-fallen/legen Am 8. March 2010 um 21:27 Uhr.

    […] Teil 1 und Teil 2 […]