fallen/legen blog

Kurzlebige Bekannte.

von Florian Naumann

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=2A3kMTZwSQ8[/youtube]

Achtung, X-Mas! Die Stimme deklamiert aus dem Off, gesampelt wohl aus einem amerikanischen Fernsehdokument der 50er oder 60er Jahre – und es führt einem ja wenig die Reflexe unserer Lebensform so treuherzig vor Augen wie die Informationen, die die Marktwirtschaft im Anfang des Systemkampfes unters Volk gestreut hat: “Christmas is celebrated in remembrance of Jesus Christ, our saviour… In every cabin a feeling of joy fills the atmosphere, and the christmas feasts with spare ribs and eggnog”. – Ein Vorwand, ein Klischee und viel zu konsumieren: Ach, Weihnachten… Die Band die das verlinkte Video fabriziert hat, heißt Tyskarna från Lund (übersetzt: Die Deutschen aus Lund) und hat sich quasi hauptamtlich dem Klischee, dem Deutschen nämlich, verschrieben. Wer das Video zu Ende sieht erfährt, wie ein deutsches Weihnachten aussieht, in unseren Behausungen auf gigantischen, stahlstrotzenden Braunkohle-Abbau-Mega-Fabriken…

Weihnachten und seine musikalische Umsetzungen sind aber eher selten ein Feld der Satire – dazu ist die Sache ja auch eindeutig zu ernst. Wer würde sich einen Spaß aus den kollektiv vermuteten Gefühlen seiner Mitmenschen machen… “The air is filled with 1000 scents of christmas” – noch mal der Deklamator der Tyskarna. Also Balladen und ihre Remakes in Radios, Geschäfte und Weihnachtsmärkte; das Bemühen die “1000 scents” zu beschwören, Erinnerungen und Kaufstimmungen. Die Auswahl ist allerdings begrenzt – und wer vier beschallte Arbeitswochen durchhält (bekennt ein Münchner Weihnachtsmarktstandler kurz vor Weihnachten der SZ), kann spätestens nach ein paar Jahren das ganze Genre nicht mehr hören. Nie. Wieder.

Es ist aber auch schwer, für berufsmäßige Musiker – wer würde sich ein ernsthaftes Album durch einen Weihnachtssong ruinieren, der 11 Monate im Jahr wie ein Hinkelstein an der CD im Regal haftet. – Da muss schon die Single ausreichend Geld einspielen, dass die Produktion lohnt. Und wer Singles verkauft, der muss (nimmt man an, und dadurch wird es wohl erst Realität) auch einen Massengeschmack treffen. Massengeschmack (nimmt man an, und dadurch wird es wohl erst Realität) liegt irgendwo im Umfeld von RTL2. Zumindest in Deutschland und heute.

Tatsächlich gibt es auch “Indie”-Weihnachten – zu dem Thema gibt es Blogs. Bright Eyes haben sogar mal ein Weihnachtsalbum aufgenommen – das war aber karitativ, und sollte sich schon von daher vor allem: Verkaufen. Weihnachtsmusik abseits der Verkaufsabsicht hat wiederum drei Gesichter: Entweder sie ist schnell gemacht, ein Spaß für die Band, Zusatzgimmick für die Hörer. Nichts allzu wichtiges also. Oder es handelt sich um den Versuch diese (schon wieder) “1000 scents” in Pop im besseren Sinne zu fassen. Aber ach: Nichts ist schwerer getan als guter Pop, ein Klischee lässt sich nicht in bekannten Worten unterwandern, und so sind es (siehe der “Another Form of Relief”-Blog) meistens nicht die besten oder interessantesten Bands des Genres, die sich versuchen, und die Ergebnisse plätschern an der Oberfläche oberflächlich durchhetzter Tage dahin. Wer so pauschal etwas erfassen will – der kann schon per se nicht sympathisch sein.

Aber dann, und bis hierhin hat es gedauert: Gibt es auch noch hörbare, gute Musik zum Thema Weihnachten. Na klar. Der Trick ist eigentlich einfach: Die Gefühle aller zu einem Allerweltsphänomen lassen sich nicht fassen, schon gar nicht mit Allerweltsphänomenen wie (un)glücklichen Liebesgeschichten. Aber Weihnachten als der zufällige (und doch sehr spezifische) Stimmungsraum, so als Referenz für eine andere Geschichte: Das klappt.

Casiotone For The Painfully Alone, der dicke gute Mono-Frickler Owen Ashworth, erzählt von einem “Cold, white christmas in St. Paul” [Download]. Ein Studentenweihnachten irgendwo ganz, ganz anders. Erwachsenenleben, kalte, neue Räume, die gleichen Symbole wie immer – und alles gibt keinen Sinn. You marked your independence with a signature on a leash, Lohnarbeit. Zuviel Zeit zum Nachdenken, und alles ist ein bisschen hinüber, beer for breakfast zum melancholischen Plucken. Oder, ein Tipp vom oben verlinkten “AFoR“, den ich gern übernehme: Die (vielleicht unabsichtlichen) LoFi-Shoegazer von The Sky Drops, die irgendwo zwischen Cure und deutschem Indie-Pop finden: “Christmas feels like halloween” [Download]. Was ja vielleicht gerade für die europäischen Verständnisse von “Halloween” und Weihnachten stimmen mag.

Wie auch immer: Gute vier freie, ruhige Tage – das sind sie ja in jedem Fall – von fallen/legen. God Jul!

Der Autor dieses Artikel hält Wham!s “Last Christmas” übrigens für einen der wenigen guten kommerziellen Weihnachtssongs… Meinungen dazu und andere Tipps im Kommentarfeld höchst erwünscht.

2 Kommentare!

  1. Mario Wimmer Am 24. December 2009 um 17:07 Uhr.

    Auch immer wieder schön ist Wir warten auf’s Christkind von den Roten Rosen, was gibt es schöneres als ein koksend gegröltes White Christmas, ein aufgehängter Weihnachtsmann vom Dach und ein echt gutes Auld Lang Syne wenn das süße Festgesäusel über Hand nimmt. Wollt daraus eigentlich Frohes Fest hier posten, aber Faschotube sperrt in mittlerweile echt enervierendem Umfang Inhalte (aber das reg ich mich erst im neuen Jahr drüber auf).

    Wenn es was ganz Anderes sein soll hätt ich hier noch den X-Mas Mix der Parkdale Funk Show anzubieten.

    In diesem Sinne, frohes Fest und bis nachher .)

  2. laura Am 25. December 2009 um 13:51 Uhr.

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