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Die unentdeckte Seltsamkeit.

von Florian Naumann

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=0190wsvghpw[/youtube]Tocotronic wussten es mal wieder zuerst.

Kurz vor dem Gipfel gab CDU-Umweltminister Norbert Röttgen der Süddeutschen Zeitung ein Interview. Leider ist dieses Interview nicht online verfügbar, aber es ist seiner Struktur einfach wiederzugeben: Erst war man sich durchaus einig, über die Stärkung grüner Technologien, dann wurde der Minister leicht unwillig: Nein, Konsumverzicht brauche die Rettung des Klimas nicht, zumal die Wirtschaft ja zunächst einmal beständiges Wachstum benötige. Und das, keine Sorge, gehe ja auch wunderbar zusammen: Man müsse nur grüner produzieren. Eine Frage der Zeit, und der Forschung.

man sei durchaus bereit, ein anderes Leben zu führen
Im Augenblick stünde man zwar noch zwischen den Türen
Es sei ja auch schwierig so von heute auf morgen
Man habe ja auch noch den Hund zu versorgen.

Die Bundesregierung hat in der Tat für die Versorgung so einiger Menschen und Hunde Sorge zu tragen. Ganz besonders gilt das für eine schwarz-gelbe Koalition: Die gesamte Industrie vertraut auf ihre Spendenempfänger. Und so verbietet es sich für einen CDU-Amtsträger beinahe von selbst zu gemäßigtem Konsum zu raten. Ob es sich tatsächlich verbietet ist wiederum eine andere Frage.

Der Journalist nahm die Antwort in diesem Sinne durchaus kritisch auf – und hatte auch (mit oder ohne sein Wissen) gute Argumente auf seiner Seite. Die amerikanische Politikwissenschaftlerin Robyn Eckersley hat bereits 2004 ein Buch mit dem Titel “The Green State” verfasst. Sie, Vertreterin der Kritischen Theorie, setzt in ihren Überlegungen etwas vor dem laufenden Diskurs an, und formuliert folgende Frage: Wäre es nicht zur Lösung eines drängenden Problems sinnvoller, ein Ziel zu definieren (ein Leben, das Leben auch in Zukunft ermöglicht) und unsere Mittel daran auszurichten, als blind unsere Mittel (zu was auch immer – wahrscheinlich irgendetwas anderem) zu optimieren?

“Ökologische Modernisierung” heißt das, was Röttgen propagiert, und das meint, dass es ausreiche, das, was wir seit jeher tun zu verbessern, statt die Grundsatzfrage, nach dem Sinn des Tuns zu stellen. Zweiteres, das “anstatt” wird freilich gar nicht mehr formuliert: Das Tun ist unhinterfragbar. Historisch datiert Röttgens Konzept der ökologischen Modernisierung auf den Klimagipfel ’87, als die Brundtland-Kommission im Auftrag der UN und für die alarmierte Weltgesellschaft nach einer Lösung für die schwelende Klimaproblematik suchte. Damals (noch vor dem “Ende der Geschichte” des Fall des Eisernen Vorhangs und des totalen Triumphs der Konsumkultur) schien vielleicht für einen Moment alles offen.

Das Ergebnis war damals CDU-freundlich und erleichternd: Wachstum und Ökologie seien keine Feinde, sondern ließen sich vereinbaren: Es müsse nur ökologisch verbessertes Wachstum sein. Für den Bürger heißt das: “alles in Ordnung, ruhig weiter so”. Und die Pflicht liegt bei der Politik und der Wirtschaft, die sich gleichwohl, Spendenempfänger und Versorgte, in dieser Ruhe recht wohl fühlen.

Doch man habe natürlich wenn man ehrlich sei
Damals all das verdrängt was man heute begreift
Und man habe nur höchstens unbewußt registriert
Daß etwas um sich greift, daß etwas grassiert

Gleichwohl ist diese Antwort recht leicht zu entlarven: Produktion von Gütern kann weniger Schäden verursachen und Ressourcen kosten, wenn sie von ökologischen Technologien gestützt wird. Ressourcen muss sie aber immer kosten, denn selbst ein vollrecycletes Produkt kostet Energie, und ein Mehr davon kostet relativ immer mehr Energie, als es zuvor der Fall war. Die selbst ökologisch nie schaden-frei ist: Wasserkraft zerstört Flussfauna, Windräder sind Vogelfallen, Solarenergiezellen brauchen immer noch viel Energie in ihrer Herstellung. Die Zuwachsraten an Verbrauch können sinken, die absolute Menge lässt kaum nach – insbesondere, wenn man die wachsende Weltbevölkerung bedenkt. Und so lässt sich sicher etwas erreichen. Aber kaum genug. Was wir uns nehmen, fällt nicht von den Bäumen; mehr kommt nicht aus dem Nichts.

Einige weitere Pferdefüße verstecken sich im Nachhaltigkeits-Konzept: So kann sicher Deutschland ein wirtschaftlich erfolgreicher Vorreiter grüner Innovationen sein; jedes Land kann es nicht. Insbesondere Dritte-Welt-Länder stehen hier im Regen. – Und dass sich Ökobilanzen in Europa verbessern hängt ja nicht zuletzt damit zusammen, dass nun China und nicht mehr Bitterfeld für den schmutzigen Part der Gütererzeugung zuständig ist. Das natürlich ebenso ein Recht auf Wachstum und Konsum haben muss.

Zur Entlastung der Röttgens sei bemerkt, dass sie in einer Zwickmühle stecken – denn nicht nur Wirtschaft und Menschen, sondern auch Staaten funktionieren nach dem Wettbewerbsprinzip. Und wer nichts anzubieten weiß, der wird zurückgelassen. Ein ordentlicher Zielfindungsdiskurs und ein zukunftsorientierter Lebensstil zählen leider nicht zu den stark nachgefragten Dienstleistungen, die Gesellschaften der Wirtschaft so anbieten können.

Und so gibt es ja scheinbar auch gar keine Alternative, und für uns Konsumenten ist das sehr beruhigend: Können wir doch gar nichts falsch machen: Das gute Leben für den guten Zweck. Und: So, dass wir das gute Leben nicht mögen würden, so ist es ja nicht. Auch der Autor dieses Artikels bereist gerne günstig die Welt, so lange das noch möglich ist. Auch das gute menschliche Leben ist etwas wert – um die Kosten sollte man sich aber nicht selbst belügen.

Und ich liege im Bett und ich muß gestehen
Ich habe große Lust mich noch mal umzudrehen
Draußen wo sich die Nacht mit dem Tageslicht bricht
Scheint etwas vor sich zu gehen, das auch mich betrifft!

Vielleicht kommt die Lösung aber auch aus ganz anderer Ecke: Denn im Westen Deutschlands gehen aufgrund der Finanzmisere der Kommunen die Lichter schon von ganz alleine aus.

2 Kommentare!

  1. Christoph Am 9. January 2010 um 02:31 Uhr.

    Sehr schön…

  2. Mario Wimmer Am 9. January 2010 um 12:44 Uhr.

    Gute Zusammenfassung der Problematik, ändern wird sich wohl leider trotzdem nichts, spätestens seit dem überzitierten Club of Rome ist klar, dass es so eigentlich nicht weitergehen kann, zu einem Bewusstseinswandel hat es leider nicht geführt… aber wie im letzten Absatz schon angedeutet, vielleicht braucht es den ja auch gar nicht, meiner Meinung nach erleben wir gerade sowieso den langsamen Abfluss von (Geld-)Mitteln aus “dem Westen” Richtung Asien, wir werden also in absehbarer Zeit weniger konsumieren, schlicht weil wir uns weniger leisten können und diesen Zwang kann man dann ja wieder ideologisch als “Bewusstseinswandel” und “freiwilligen Verzicht” verklären. Ein schönes Detailbeispiel dazu hatte vor einiger Zeit Don Alphonso bei der FAZ.